Palmer Drei – Aller guten Dinge sind… – Testbericht von Soundcheck

…Palmer Drei. Wieso kompliziert, wenns auch einfach geht? Das dachte man sich auch bei Palmer und packte deshalb einfach drei separate Single-Ended-Röhrenendstufen in ein Gehäuse und überlässt den Rest uns Gitarristen. Zur Auswahl stehen jeweils eine EL84, 6V6 und eine 6L6-Pentode. Und die kann man pur genießen oder gemischt- ganz nach Geschmack.

Zahllose Nächte schlagen sich die Tube-Freaks um die Ohren. Landauf, landab wird getüftelt, werden Röhren gewechselt und verglichen. Man tauscht sich in Internet-Foren aus, immer auf der Suche nach weiterem Erkenntniszugewinn. Nun, das kann man jetzt auch deutlich beschleunigen. Palmer hat sich den Trend zu kleineren Röhren-Amps, bei denen man den EndStufencharakter gezielt zur Klangformung heranzieht, nämlich gründlich angeschaut und dann seine ganz eigenen Schlüsse daraus gezogen. Denn das deutsche Traditionsunternehmen traut sich, einfach mal komplett anders zu sein -gut so.

Und dass an diesem Gerät wirklich etwas anders ist, erkennt man schon an dem für einen etwa 15 Watt starken Verstärker extrem soliden und wuchtigen Metallchassis. Selbst der etwas eigenwillige, irgendwie industriell anmutende optische Charme scheint da nur konsequent. Sieht man genauer hin, fällt auf, dass die Beschriftung selbstbewusst in deutscher Sprache gehalten ist. Und nach dem Verfliegen der ersten leichten Irritation kommt man zu dem Schluss: Ja, warum denn eigentlich auch nicht? Schließlich stammt er ja auch nicht aus dem London, LA oder Shanghai, sondern wird im hessischen Neu-Anspach, per Hand gefertigt. Flagge zeigen mal anders! Von der Liebe zum Detail zeugt übrigens auch das feine kunstlederne Handbuch. Die Vorstufe beinhaltet folglich zwei Potentiometer für „Sättigung“ (Normal und Höher) sowie einen einzelnen „Klang“-Regler, der dann auch genau so heißt und im Grunde nur ein passiver Höhenfilter ist, wie an der Gitarre. Danach geht es bereits ans Eingemachte, sprich, in die Endstufensektion. Hier sind äußerst kurze Signalwege angesagt, was bekanntermaßen der dynamischen Reaktion einer Verstärkerschaltung nur gut tut.

Einfach „Drei“ heißt der Bursche und trägt damit bereits das Konzept auf der stolzen Brust, äh, Frontplatte. Die Endstufe ist nämlich gleich dreifach vorhanden und mit unterschiedlichen Röhrentypen bestückt: Eine schlanke EL84er für Endstufe „Eins“, eine untersetzte 6V6 für die „Zwei“ und eine dicke 6L6 unter Nummer „Drei“. Die entsprechend nummerierten Endstufenregler auf der Glücklichmacher: Pureren Röhrensound als beim Drei kann man nicht bekommen- aber hier kann man ihn mischen. Bedienfront machen es nun möglich, die jeweilige eintaktig (für anglophile: „single ended“) beschaltete Sektion in Betrieb zu nehmen. Zuvor sollte man freilich erst noch eine geeignete Box {4, 8 oder 16 Ohm) anschließen, den Verstärker unter „Strom“ setzen und nach einer Minute in „Bereit“-schaft versetzen. Ich hatte mir dafür übrigens eine großvolumige, halboffene 2-x-12″er-Box mit OEM-Typen von Eminence ausgesucht, die ich wegen ihrer ausgewogenen Wiedergabe schätze. (Wer diesbezüglich Nachholbedarf hat, der ausführliche Test der hauseigenen Custom-Made-Palmer-Boxen findet sich in SOUNDCHECK 03/11) So weit, so gut, was fängt man nun mit dem Drei an? Nach Herzenslust damitherumspielen natürlich!

„Spontan begeistern mich die Impulstreue und die ungeheuer sensible Reaktion“

Nachdem ich die Vorstufenregler in die 12-UhrPosition gebracht habe, schließe ich eine Humbucker-bestückte Semiakustische an und gehe die Sektionen erst mal einzeln durch.
Spontan begeistern mich die Impulstreue und die ungeheuer sensible Reaktion auf die Spieldynamik. Ja, so muss das sein. Genau dafür liebt man dieses urtümliche Eintakterkonzept. Der Verstärker scheint praktisch direkt mit meiner Anschlagshand verbunden zu sein. So lässt sich der Klangcharakter völlig mühelos beim Spielen von glasklar bis kräftig angezerrt variieren. Das ist natürlich beeindruckend, aber das können andere Verstärker auch.

Noch interessanter wird das Ganze, wenn man sich nun die unterschiedlichen Endpentoden im direkten Wechsel anhört, was hier ja überhaupt kein Problem darstellt. Einfach einen Regler zu und den anderen auf – das macht schon Spaß! „Eins“ (EL84) bellt schön bissig und beginnt dann von den Höhen abwärts anzuzerren. Die offensiven Mitten werden zunehmend komprimiert, die Bässe wirken eher dezent. Damit setzt sich die Gitarre bestimmt gut durch. „Zwei“ klingt weicher, geschmeidiger und irgendwie „kleiner“, aber gerade dadurch vor allem bei Blues Lines oder Slide Lieks (das versuch‘ ich jetzt besser nicht zu übersetzen) ungemein charmant. Gemeine oder ankratzbürstige Töne kennt die 6V6-Röhre offensichtlich nicht. ln Sektor „Drei“ macht das Klangbild einen deutlichen Lautstärkesprung und man spürt sofort die größeren Reserven der 6L6-Pentode. Die Bässe klingen tiefer und druckvoller, und dennoch straffer, die Höhen brillanter und seidiger, als bei den anderen beiden Sektionen.

Sind die unterschiedlichen Röhrencharaktere einzeln schon sehr hörenswert, tut sich eine zusätzliche und ganz neue Dimension auf, wenn man die Sektionen miteinander mischt. Die spezifische dynamische Ansprache, das frequenzabhängige Umkippen in die Übersteuerung- das bekommt man so mit keinem EQ, Booster oder Overdrive-Effekt und auch mit keinem anderen Verstärker hin. Um doch noch ein paar Anglizismen unterzubringen: Das ist sozusagen „lnstant-Multi-Amping“ – nur viel praktischer! Unglaublich wie detail- und nuancenreich diese an sich simpel gestrickte Röhrenschaltung dadurch klingen kann. Da können Stunden vergehen und man entdeckt immer neue interessante Kombinationen. Dabei sollte man unbedingt auch die beiden Vorstufen-Regler mit ein beziehen.

Dreht man „Normal“ wie und „Höhen“ nur dezent auf, wird’s und komprimiert; umgekehrt klingt es aggressiver und offener. Bringt man beide Potis auf Anschlag reicht es aus, um auch eine knackige Singlecoil-Gitarre ordentlich singen zu lassen. Wirklich „böse“ wird unser Dreitakter konzeptionell nicht. „Heavy Metal“ ist hier höchstens das Gehäuse. Maximal lässt sich mit einem Doppelspuler noch ein kraftvolles Hardrock-Solo herauskitzeln. Mehr Verzerrung ist hier nicht vorgesehen, aber das klingt dafür richtig lecker.

Augenblick, da klingelt es an der Tür … Nö, doch nicht – sind bloß meine Ohren! Sagte ich schon, dass 15 voll aufgerissene Röhrenwatt ganz schön laut sein können? Die „Drei“ können aber uach angenehm leise noch gut klingen. Reißt man die Vorstufenregler tüchtig auf und dreht hinten zurück, müsste es sogar mit der Übung im heimischen Schlafzimmer klappen. (Na, nicht was ihr denkt…ich rede vom Gitarrespielen!) Das Haupteinsatzgebiet für den Drei wird aber sicherlich das Recording Studio und die Club-Bühne sein. Moment mal, aller guten Dinge sind…auch drei: Gitarre, Verstärker und ich- danke, passt!

Technische Daten

  • Bauweise: Röhrentop
  • Leistung: 3 X 5 W
  • Röhren: 3 X ECC83/12AX7, EL 84/6BQ5 (Takt Eins), GVGS (Takt Zwei). 6L6GC (Takt Drei), GZ34/5AR4 (Rectifier)
  • Regler & Schalter (Sättigung) Normal, Höher, Klang; (Endstufen) Eins, Zwei, Drei; Bereit/ Aus, Strom/Aus
  • Anschlüsse Input, (Rücks. : ) Lautsprecherausgänge 4 Q, 8 Q, 16 Q
  • Gewicht: 15 kg
  • Maße (H x B x T ): 230 x 390 x 250 mm

 

Auf einen Blick

  • Palmer Drei
  • Vertrieb: Adam Hall – www.adamhall.com
  • Preise( UVP): 1100 €

 

Vor- und Nachteile

  • + Extrem ehrlicher Klangcharakter
  • + Herausragende Dynamik
  • + Spannendes Konzept
  • + Multiple Klangoptionen
  • + Erstklassige Verarbeitung
  • – Recht hohes Gewicht

 

Alle Infos zum Produkt unter:
http://www.palmer-germany.com/mi/de/DREI-3-fach-Eintaktverstarker-PDREI.htm

Quelle: Soundcheck Magazin, Deutschland

Leave a Comment