Palmer Mutterstolz – Mamis Liebling drückt ab! – Testbericht von amazona.de

Palmer Mutterstolz? OK, stellen wir uns alle mal eine Frage: Wie viele Verzerrer Hersteller gibt es weltweit? Es müssen mehrere tausend sein! Wie viele Verzerrer Hersteller gibt es in Deutschland? Es müssten um die hundert sein! Wie viele Hersteller aus Deutschland gibt es, deren komplette Fertigung in Deutschland abgewickelt wird? Einige wenige! Welche dieser Hersteller haben Produktnamen mit witzigen, teilweise sogar sehr witzigen Namen? Wahrscheinlich nur einer!

Eingeweihte wissen längst, um welchen Hersteller es hier geht. Die Firma Palmer, die in der Nähe von Frankfurt am Main ihren Sitz hat, dürfte jedem Gitarristen mindestens einmal im Leben über den Weg gelaufen sein. Die hessische Firma sorgt mit ihren (meist in Handarbeit) gefertigten Produkten dafür, dass der Begriff „Made in Germany“ nach wie vor nichts von seiner Ausdruckskraft verloren hat. Neben den vielen kleinen Helferlein, die Palmer in seiner Produktpalette führt, verfügt das Unternehmen neben Verstärkern und zahlreichen Detaillösungen auch über eine ansehnliche Auswahl von Bodeneffektgeräten.

Der jüngste Spross ist eine Kombination aus Verzerrer und Booster mit dem Namen Palmer Mutterstolz. Was auch immer ihr von dem Produkt musikalisch im Endeffekt halten werdet, ich garantiere euch, dass ihr diesen Namen nie mehr vergessen werdet!

Klangbeispiele unter:
http://www.amazona.de/palmer-mutterstolz/

Konstruktion

Noch bevor ich das Bodenpedal angeschlossen habe, fangen meine Augen beim Anblick des Gerätes erst einmal an zu glänzen. Die zuvor genannten Vorgaben werden auch beim Mutterstolz Bodenpedal bis ins letzte Detail umgesetzt. Der Treter kommt in einer ultra-massiven Ausführung daher, ist extrem stabil gebaut und vermittelt den Eindruck, dass sämtliche Bauteile auch noch in mehreren Dekaden eine perfekte Handhabung ermöglichen.

Auch in Sachen Detaillösungen haben die Jungs die Nase wieder mal ganz weit vorne, so ist zum Beispiel der äußere Rahmen des Pedals über die Stirnseite nach vorne gezogen, womit sich das Pedal mit zwei kleinen Bohrungen mittels einfacher Handgriffe auf seinem Floorboard befestigen lässt. Das Prinzip ist, dass man zwei separate Bleche in U-Form übereinander schichtet und das untere weiter nach vorne zieht, bis man einen Überstand von ein paar Zentimetern hat. Kleines Detail, große Wirkung! Wer jemals mit Klettband und Kabelbindern auf den Knien herumgewerkelt hat, weiß wovon hier die Rede ist. Zudem verfügt das Gerät über eine dicke, weiche Gummiplatte an der Unterseite, die auf glatten Flächen gegen unbeabsichtigtes Verrutschen sichern soll.

Im Gegensatz zur neun 99% seiner Mitkonkurrenten, basiert die Schaltungstechnik des Palmer Mutterstolz auf einer echten ECC 83 Röhre, die das Klangverhalten des Gerätes nachhaltig prägt. Über vier angenehm schwergängige Potentiometer und einen sehr massiven True-Bypass-Schalter wird das Gerät gesteuert und verwaltet. Die eigenwilligen Reglerbezeichnungen gestalten sich wie folgt:

Destruction:
Verzerrungsgrad
Dirt: Mittenboost, Obertonverhalten
Color: Höhenblende
Mother: Ausgangslautstärke

Mit Spannung wird das Mutterstolz über ein 12-Volt-Wechselstrom Netzteil versorgt, das dem Gerät beilegt. Da diese Variante eher ungewöhnlich ist, sollte man im Auge haben, dass, sofern man den Palmer Mutterstolz auf seinem Floorboard platzieren möchte und das Pedal mit einem Multispannungsverteiler betrieben wird, man über einen entsprechenden Anschluss verfügt. Als optisches Schmankerl ist ein rotes Glas In die Gehäuseoberfläche eingearbeitet, hinter der man das Glimmen der Röhre beobachten kann. Eine Betriebs-LED informiert über den Bypass-Zustand (leuchtet grün) oder den Einsatz des Gerätes (leuchtet rot).

Praxis

Nimmt man das Pedal das erste Mal in Betrieb, so fällt die dezente, aber sehr wirkungsvolle Arbeitsweise des Mutterstolz ins Gewicht. Dabei fällt das Gerät durch ein sehr eigenständiges Klangverhalten auf, das ich noch näher zu erklären versuche. Nehmen wir als erstes mal die Booster-Funktion unter die Lupe. Bei marginalem Destruction-Anteil auf circa 9 Uhr kann man über den Mother-Anteil für einen Amp stufenlos anblasen, wahlweise mit den Klangreglern Dirt und Color auf den persönlichen Geschmack abgegleichen – fertig.

Der Klang bleibt unglaublich weich, ohne dabei in das berüchtigte schlabbrige “Ami-Gain” abzudriften. Man hört regelrecht die Qualität der Bauteile. Diese Einstellung kann ihre volle Schlagkraft erfahrungsgemäß nur an einem Clean/Crunch eingestellten Vollröhrenamp ausspielen, Transistor-Fans bleibt dieser Effekt leider größtenteils vorbehalten. Strahlendes Obertonverhalten und ein knackiger Crunch sind der Lohn für diese Mühen.

Mit zunehmendem Verzerrungsgrad gelangen wir in den Bluesbereich – einschließlich allen dynamischen Klischees, die das Metier zu bieten hat. Dabei gelingt es dem Palmer Mutterstolz ganz hervorragend, den Ton zu verlängern, ohne dass eine zu starke Kompression die Übermachtstellung bekommt.

Der Attack bleibt dynamisch, die Durchsetzungskraft hoch. Sehr schön auch, dass die Klangregelung keine extremen Dezibelbereiche bezüglich Wirkungsgrad beschreitet, wie es die Konkurrenz sehr gerne tut. Die Parameter bleiben praxisgerecht, kein Kreissägen-Massaker, aber auch kein Wolldeckengemuffel. Der verzerrte Ton erhält dabei eine ganz eigene Note, die etwas härter als ein klassischer Oberdrive ausfällt, jedoch nicht in die zuweilen überladene Kompression eines klassischen Distortion-Pedals zerfällt. Selbst bei voll aufgedrehtem Verzerrungsregler erreicht das Pedal gerade mal die Bereiche des klassischen Hardrocks der Siebziger. Dabei bleibt das Pedal auch bei maximaler Verzerrung immer noch sehr dynamisch, was Attack und Kompression betrifft. Amerikanisch geprägte, gerne auch mal weich ausgelegten Gain-Orgien, sucht man bei diesem Bodenpedal vergebens. Das Gerät bildet die persönliche Spielweise eins zu eins ab und drückt das Individuelle des Künstlers inklusive aller Stärken und Schwächen in den Vordergrund.

Was am Palmer Mutterstolz besonders gut gefällt, ist seine Unaufdringlichkeit, an die sich das Ohr allerdings sehr schnell gewöhnt. Der aufgewertete Sound erscheint urplötzlich als Standard und lässt das eigene Spiel nach Deaktivierung des Portals im direkten Vergleich als deutlich belangloser erscheinen. Dieses Pedal besitzt enormes Suchtpotenzial – aufpassen! Neben dem exzellenten Klangverhalten punktet das Gerät zusätzlich mit einer außergewöhnlichen preislichen Offensive. Mir persönlich scheint es schleierhaft, wie man ein Pedal von einer solchen Güte, komplett in Deutschland gefertigt, für einen Straßenpreis von knapp 100,- Euro profitabel anbieten kann.

Fazit

Mit dem Palmer Mutterstolz ist der hessischen Firma ein großer Wurf in Sachen Klangverbesserung gelungen. Ich kann wirklich nur jedem empfehlen, der seinen persönlichen Sound als ordentlich, aber unspektakulär empfindet, das Palmer Mutterstolz in seiner Effektkette vor seinem Verstärker anzutesten. Klassische Gitarren/Verstärkerkombinationen aus dem Blues/Rock Bereich leben unter Zuhilfenahme dieses Pedals auf und heben das gesamte Setup klanglich auf eine neue Ebene. Wer einen “Knall-Bumm-Kracheffekt” erwartet, ist hier an der falschen Stelle. Wer subtile Spitzenqualität aus Deutschland schätzt, wird hier mit offenen Armen empfangen.

Test Setup: Fame The Paul Ironfinger Signature, Palmer Eins, Koch 1×12“ Cabinet, Shure SM 57

Plus
Klang
Verarbeitung
Konzeption
Abstimmung

Preis
UVP: 128,- Euro
Straßenpreis: 98,- Euro

Weitere Infos unter:
http://www.palmer-germany.com/mi/de/MUTTERSTOLZ-Tube-Distortion-Pedal-PEMUTT.htm

Quelle: www.amazon.de, Deutschland, Februar 2013

Autor: Axel Ritt

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