Palmer Custom Made Cabinets – Jedem genau die Richtige – Teil 2 – Testbericht von Soundcheck

»Der Wizard liefert im Medium- und High-Gain-Modus eine höchst beeindruckende Vorstellung.«

In Sachen Speaker-Bestückung bietet Palmer dem Kunden nämliche eine wahrhaft beispiellose Auswahl.

Für die Modelle mit geschlossener Gehäuserückseite werden derzeit neun, für die rückseitig offenen 1-x-12“er-Cabs sogar elf verschiedene Lautsprecher angeboten! Wach ich oder träum’ ich? Bei den größeren Boxen mit mehreren Speakern sind auf Wunsch selbst gemischte Bestückungen erhältlich. Möglich wird das Ganze, weil Palmer die Gehäuse erst im heimischen Werk mit den Wunschspeakern bestückt. So sind dann alle denkbaren Varianten in kürzester Zeit lieferbar. So weit, so gut, kommen wir nun zum schwierigsten Teil, dem eigentlichen „Materialtest“.

Also, wie haben die Probanden denn nun im Sound-Labor abgeschnitten? Den Anfang dürfen die in den unterteilten 4-x-12“er-Gehäusen verbauten Einzellautsprecher machen, die beiden einzelnen 1-x-12“er und die 2-x-12“-Variante heben wir uns für die Gegenprobe auf. Also los.

Tone Center Nummer 1 wartet unter anderem mit dem allseits bekannten Celestion „Vintage 30“ auf, was sich als Referenz anbietet.

Schließlich gehört er zu den am weitesten verbreiteten 12-Zöllern im Gitarrenbereich. Er tritt hier gegen drei der kernigeren Eminence-Typen an, die sich anschicken, ihm den Titel des Heavy- und Rock-Champions streitig zu machen. Nun, in seinem „Boxenviertel“ fest verankert spielt der (trotz seiner Bezeichnung) mit gut 60 Watt belastbare Celestion wie gewohnt souverän auf: Er präsentiert einen kompakten, definierten Bass und Tiefmittenbereich, dafür umso deutlichere, markant aggressive Hochmitten, die mit dem falschen Amp oder Instrument kombiniert auch schon mal penetrant werden können. Garniert wird sein Klangbild mit scharf umrissenen, tendenziell ebenfalls eher bissigen Höhen. Mit einer außerordentlich durchsetzungsfähigen Stimme ausgestattet ist er bekanntermaßen ein beliebter Partner für härtere Stile. Dabei weiß er, neben strammen High-Gain-Riffs und fetten Leads, auch cleane (Funk) oder traditionelle Crunchsounds beherzt und mit dem nötigen Feingefühl umzusetzen.

Damit setzt Palmer die Messlatte für die Kollegen aus dem Hause Eminence ganz schön hoch an. Im Direktvergleich überrascht das Modell „Governor“ zunächst mit einem Klangbild, das viele der eben beschriebenen Eigenschaften aufweist. Aber die Unterschiede im Detail machen die Sache ja erst interessant. Der Governor packt 75 Watt und klingt einen Tick lauter, etwas weicher, mit zurückgenommenen Bässen und einem etwas runderen Höhenbereich, wobei er im Mittenbereich aber kein Stück weniger Druck liefert, als das britische Pendant. Damit vermittelt der Governor den Eindruck eines gut gerockten, ordentlich eingespielten Lautsprechers, der sich in den unterschiedlichsten Situationen und Stilen behaupten kann. Besonders gut hat er mir für fette Leads und Southern Rock Riffs, deftigen Highgain-Boogie (im ZZ-Top-Stil zum Beispiel) und bei rockigen Slide-Einsätzen gefallen. Ein vielversprechender Auftakt!

Nun bin ich umso gespannter auf die Modelle „Wizard“ und „Man-O-War“.

Hm, wer benennt eigentlich die Speaker? Der erste Höreindruck des „Klang-Zauberers“ jedenfalls zeigt, dass der martialische Name gar nicht so abwegig ist. Dieser Speaker schlägt nämlich noch heftiger zu, als es der Vintage 30 vorgemacht hat: Au, ist der laut, und – weia, wie das knallt! Zwar kommen die Mitten nicht ganz so offensiv und gemein, dafür erweitert der ebenfalls mit 75 Watt belastbare Wizard das Frequenzgemisch nach oben und unten hin. Er lässt den Fußboden also vibrieren und die Obertöne nur so fliegen. Das rockt natürlich gewaltig, Wände und Band-Kollegen erzittern. Vor allem der Mann am
Bass hat Angstschweiß auf der Stirn, zu Recht!

»Der „Man-O-War“ legt dann in Sachen schierer „Heavyness“ noch einen drauf.«
Wer immer noch glaubt, Eminence-Speaker wären nur was für Kuschelrocker, sollte einen Blick ins aktuelle Produktsortiment werfen oder sich die Dinger mal selbst anhören.

Fett, druckvoll, laut und extra-heavy liefert der Wizard im Medium- und High-Gain-Modus eine höchst beeindruckende Vorstellung. Im Clean- und Crunch-Modus des Verstärkers gibt er ein ungewohnt breitbandiges, aber noch ausgewogenes Klangbild ab. Interessanter Typ, der klingt bestimmt als Einzel-Speaker in einem offenen 1-x-12“-Gehäuse schon richtig groß und mächtig. Hier ist es mir persönlich, zumindest im Bassbereich, je nach Verstärkertyp und -setting fast ein bisschen zu viel des Guten. Kommt ja nicht so oft vor, dass ich den Bassregler so weit zurückdrehe …

Uooh, war aber eine gute Idee, denn der „Man-O-War“, der als nächstes an der Reihe ist, legt in Sachen schierer „Heavyness“ noch einen drauf. Zwar hält er sich in höheren Regionen ein wenig bedeckt, was glasklare und crunchy Sounds etwas „wattig“ und träge machen kann. Dafür stellt er ein abgrundtiefes Fundament auf und lässt auch die drückenden Tiefmitten nicht zu kurz kommen. Als Einzel-Speaker in einem kompakten Gehäuse lässt sich kaum mehr „Tiefdruck“ erzeugen, zumal der Bursche auch stramme 120 Watt Leistung verträgt. Alternative-, Stoner- und Hard-Rocker, denen es gar nicht tief genug gehen kann, sollten sich diese Lautsprecher jedenfalls mal anhören. Die aggressive NuMetal, 7-String- und Baritone-Abteilung braucht allerdings „mehr Draht“ im Sound und dürfte daher mit dem spritzigeren und transparenteren Wizard besser beraten sein.

Kommen wir zu Tone Center Nummer 2, das mit einigen gemäßigteren Vertretern versöhnlichere Töne anschlägt.

Der „Legend 1258“ ist sicherlich der Klassiker in dieser Runde, denn er ist ein Lautsprecher mit Vorgeschichte. Den vergleichbaren OEM-Typ findet man in vielen vor allem amerikanischen Verstärkern der mittleren Preisklasse, beispielsweise bei zahlreichen Fender-Combos.

Dieser vergleichsweise preiswerte Speaker war in den 90ern fast schon eine Art Industriestandard, zumindest für Amps, bei denen man auf einen glockig-brillanten, dabei angenehm warmen Cleansound Wert legte.

Ob Funk, Country-Rock oder Blues amerikanischer Prägung, hier liegt man definitiv richtig. Trotz seines eher breitbandigen Sounds mit reduziertem Mittengehalt meistert er auch Medium-Gainsounds, die nicht nach kreischenden Obertönen verlangen, bis hin zu traditionellem Hardrock erstaunlich gut. Man sollte ihn also nicht von vornherein nur auf eine Schiene festlegen. Es ist gerade sein vielseitiger, eher unaufdringlicher Charakter, der ihn so erfolgreich machte.

Viel spezieller, nämlich bissiger und frecher, aber auch engbandiger klingt im Vergleich dazu Eminence’ „Red, White & Blues“. Sein Metier sind insbesondere Country- und Blues-, aber auch Indie-Rock mit etwas erhöhter Oktanzahl. Er überträgt das Verstärker signal sehr transparent und druckvoll, aber mit eher dezenten Bässen, saftig schmatzenden Mitten und schärfer konturierten Höhen. Diese Mixtur lässt den Amp auf Anhieb etwas „kleiner“ klingen, ist jedoch in größeren Besetzungen sehr vorteilhaft. Hier setzt sich der Speaker garantiert durch, ohne seinen amerikanischen Klang charakter, der an eine Hot-Rod-Version klassischer Tweed-Klänge erinnert, zu leugnen. Dabei behilflich ist im auch seine mit 120 Watt bemerkenswert hohe Belastbarkeit. Viel Spaß gemacht hat er mir auch mit einer dicken Semiacoustic und ein paar typischen Rockabilly-Riffs.

Noch robuster gibt sich nur das Modell „Texas Heat“, dessen Belastbarkeit mit 150 Watt angegeben ist.

Seine Bezeichnung lässt erahnen, worum es geht. Texas-Blues steht auf dem Programm. So wundert es nicht, dass er gewisse klangliche Parallelen zum „Red, White & Blues“ erkennen lässt. Allerdings scheint die Resonanzfrequenz um eine Oktave nach unten verschoben. Satte, tendenziell weiche Bässe und Tiefmitten sind hier reichlich, dafür überträgt er weniger Höhen. Der Sound klingt bei cleanen und angerauten Amp-Settings bereits sehr mächtig. In bestimmten Kombinationen hat das ein bisschen was von einem alten „Blackface“-Twin, aber weniger brillant, sondern erdiger und fetter. Traditionelle Overdrive-Sounds kann er besonders gut. Woran erinnert mich das bloß? Ah, ja, die frühen Aufnahmen von Ex-Blues-Wunderkind Kenny Wayne Shepherd. Mit diesem fetten und warmen, im Clean-Bereich sehr gediegenen Ton eignet sich der vermeintlich heißspornige „texanische Heizer“ übrigens auch sehr gut für stilvolle Jazz- und Swing-Sounds.
Der speziellste Lautsprechertyp im gesamten Testfeld ist allerdings der „Cannabis Rex“.

Nach dem durchschlagenden Erfolg der Firma Brown Soun’ mit einem Speaker-Cone auf Cannabis-, zu deutsch Hanffaserbasis, machten sich diverse Hersteller daran, diesem Material auch eine Chance zu geben. So auch Eminence, und das Ergebnis kann sich wirklich hören lassen. Der Cannabis Rex verträgt 50 Watt Leistung und zeigt viele der Eigenschaften der exklusiveren und dabei äußerst kostspieligen Konkurrenz, und bleibt dabei angenehm preiswert. Aber wie klingt er denn nun? Weich, sehr fett und trotzdem transparent, mit enormen Tiefmitten und gleichzeitig erstaunlich akzentuiertem Biss, wenn man das Attack erhöht. Ein Ton, wie man ihn sich von Vintage-Sounds erträumt, dabei jedoch zuverlässiger und besser steuerbar. Zuweilen erscheint er auch mal wollig weich und komprimiert; etwa, wenn man ihn mit modernem Highgain konfrontiert.

Man muss also schon den passenden Verstärker anschließen, zum Beispiel einen bissigen Vox AC30 oder auch einen 18-Watt-Marshall und die Endstufe „atmen“ lassen, um sein Potenzial voll auszuschöpfen. Dann allerdings kann dieser Cannabis-Ton süchtig machen. Man muss ihn aber schon selbst zureiten. Ein Anspiel Tipp für erfahrene Gitarristen, die genau wissen, was sie wollen.

OEM: Abkürzung für „Original Equipment Manufacturer“. Das bedeutet nichts anderes, als dass ein Produkt von einem Zulieferer im Auftrag eines anderen produziert wird. Ein Hersteller baut also für einen anderen und letzterer druckt dann anschließend sein eigenes Firmenlogo auf das fertige Teil.

»Der Cannabis Rex ist ein Anspiel tipp für erfahrene Gitarristen, die genau wissen, was sie wollen.«

So, bleiben nur noch drei Kandidaten übrig, die beiden 1-x-12“er und das 2-x-12“er-Cab.

Die angenehm leichte, halboffene 1×12“er-Box ist transportfreundlich kompakt gehalten, bietet aber genügend Innenvolumen, um den Bass bereich des jeweiligen Lautsprechers nicht zu sehr zu beschneiden. Eine ist mit dem Eminence „Maverick“-, die andere mit einem „Reignmaker“-Speaker bestückt, welche beide die spezielle FDM-Funktion (Flux Density Modulation) mitbringen. Damit lässt sich der Pegel mittels eines Drehreglers auf der Rückseite des Lautsprecherkorbs um bis zu 9 dB herunterregeln, was den enormen Vorteil bietet, dass man die Anlage ruck-zuck an unterschiedliche musikalische und räumliche Situationen anpassen kann. Dieses eigenständige Feature funktioniert auch allerbestens und wirkt sich tatsächlich nur minimal auf den eigentlichen Klangcharakter aus. (Siehe auch Maximum Check SC 01/11!)
Deshalb wollen wir uns an dieser Stelle auch gar nicht weiter darüber auslassen, sondern die eingebaute Pegelbremse einfach schon mal als dicken Pluspunkt im Hinterkopf verbuchen. Nur am Rande bemerkt: Jetzt ist sicher auch klar, warum diese Speaker-Typen für die beiden Cabinets mit geschlossener Rückwand nicht angeboten werden – man käme nicht mehr an den FDM-Regler heran.

Der Maverick klingt hier jedenfalls angenehm ausgewogen, schön offen und zeigt sich damit ähnlich vielseitig wie der Legend 1258.

Die Bässe sind aufgrund des offenen Boxengehäuses etwas dezenter, die Höhen transparent, aber gut abgerundet. Dafür hat man dem mittleren Bereich eine Extraportion „Schmatz“ mitgegeben, was nicht nur Blues-Rockern gut gefallen dürfte. Man kann den Maverick auch mit einem aggressiven Highgain-Sound anfahren, den er zwar ein wenig entschärft, aber dennoch ordentlich rüberbringt. Insofern eignet sich das Maverick-Cab auch gut zum Aufbau eines kompakten Stereo-Setups oder als Ergänzung zu einem 1-x-12“-Combo.

Der signalrote Lautsprecherkorb des „Reignmaker“ deutet es schon an, dieser Typ ist ein wenig hitziger. Er überträgt weniger Bässe, klingt heißer und durchdringender und wird bei hartem Anschlag leicht „crunchy“. Die betonten Hochmitten erreichen zwar nicht die Schärfe eines Vintage 30, liefern aber viel Biss. Sein tendenziell „leichter“, besonders knackiger Ton hat stets etwas angriffslustiges, nervt aber nicht, sondern verbleibt im angenehmen Bereich. Damit klingt er natürlich nicht so ausgewogen und vielseitig wie der Maverick, ist aber für traditionsbewusste Stilrichtungen, die eine Extraportion Biss vertragen können, mit Sicherheit ein heißer Tipp.

Last, not least, kommt auch noch das 2-x-12“er-Format mit „Wizard“-Bestückung dran.

Den Speaker hatten wir zuvor schon vorgestellt. Insofern beschränken wir uns hier darauf, den zuvor festgestellten Eigencharakter des Lautsprechers in dieser Konstellation zu überprüfen. Wie erwartet klingt die, übrigens angenehm leichte, 2-x-12“-Box super-breit und bassig. Allerdings sorgt die teilweise Phasenüberlagerung zweier so nahe nebeneinander platzierter, identischer Lautsprecher für Auslöschungen im mittleren Frequenzbereich. Das gilt nicht nur für die Palmer-Box, den Effekt kenne ich von vielen anderen auch.

So zeigen zum Beispiel Vintage 30s in der paarweisen Anordnung in einer kompakten Box erheblich weniger Mitten-Punch als in der 1-x-12“-Variante.

Im Falle der Wizard-Box wirkt das Klangbild, nicht zuletzt aufgrund der starken Bässe, ein wenig ausgehöhlt, was breiten Clean- und Effekt-Sounds entgegenkommt. Heftige Highgain-Settings wirken unter Umständen ein wenig spröde und „fuzzy“, sofern der Verstärker nicht ein solides Maß an Mitten liefern kann. Gut, dass wir diese Bauform noch mitgenommen haben, sonst wäre dieser Punkt wohl ungeklärt geblieben. Damit sind wir am Ende dieses Test-Marathons angekommen. Nun müsst ihr nur noch das nächste Palmer Tone Center ausfindig machen und mit eurem Amp anrücken.

Aber gebt den Mitarbeitern im Laden eine Chance und kündigt die geplante „Hörprobe“ vorher lieber telefonisch an … A propos Hörprobe: Soundbeispiele zu allen Speakern findet ihr unter www.palmer-germany.com/171-0-1×12-cabinet.html

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Quelle: Soundcheck Magazin, Deutschland, März 2011

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