Palmer EINS – Tony Iommi lernt singen – Testbericht von Guitar Magazin
Das Land der Dichter und Denker hat auch über die klassischen Disziplinen hinaus einiges zu bieten. Im Taunus beschäftigen sich beispielsweise einige Philosophen mit der Lehre des Sounds. Sie erschufen mit dem Palmer EINS ein Vollröhren-Topteil, das nicht zwangsläufig eine Box benötigt, um gut zu klingen.
Seit einigen Jahren sind Röhrenverstärker mit niedriger Leistung im Kommen. Schließlich klingt das 100-Watt-Fullstack im häuslichen Gebrauch eher mau – zumindest wenn die Mitbewohner beim Mau-Mau-Spielen nicht gestört werden sollen. Im Gegensatz zur Zehn-Watt-Transe klingt die Fünf-Watt-Röhre schön dreckig und sexy zugleich. Allerdings können die meisten Modelle eben auch nichts anderes. Schöne Clean-Sounds? Fehlanzeige. Recording? Lediglich per Mikro-Abnahme. Genau an dieser Schwachstelle setzt der Palmer EINS mit nur einem Watt Leistung an.
Abb. 1: Palmer EINS
Ein Watt, das klingt zunächst so spannend wie eine Kugel Eis in diesen pappigen Waffeln. Mag kein Mensch, kriegen nur Kinder, zwecks gesundem Gewissen und Sparmaßnahme. Doch selbst Yngwie Malmsteen („Weniger ist mehr? Mehr ist mehr!“) nutzt in seinem Signature-Amp eine elektronische Leistungsreduktion, die den Verstärker von 100 Prozent Vollfett auf 0,1 Prozent Magerquark reduziert. Das hat einen guten wie simplen Grund: Das gesamte Leistungsvermögen eines Verstärkers wird nicht in jeder Situation abgerufen. Der Palmer EINS soll also auch da gut klingen, wo das Fullstack versagt.
Das kleine Topteil hat mit seinem Metallgehäuse den Charme eines alten Echolette-Verstärkers. Im Gegensatz zu den Uralt-Modellen wird der EINS im Betrieb aber nicht so heiß, dass darauf Spiegeleier gebraten werden können. Serienmäßig ist er mit einer ECC83-Vorstufen- und einer ECC82-Endstufenröhre bestückt. Wenn die Röhren glühen, stehen mit einem Volume- und einem Tone-Poti äußerst übersichtliche Einstellungen zur Verfügung. Ein Boost-Schalter schiebt den Sound des einkanaligen Tops an.
Wesentlich interessanter ist die Rückseite mit nützlichen Anschlüssen ausgestattet. Dabei dürfen die Standards natürlich nicht fehlen: Eine externe Box kann über 8 oder 16 Ohm verkabelt werden. Die beiden weiteren Outputs sind allerdings on top und heben den EINS von vergleichbaren Modellen ab. Ein Mischpult lässt sich an den Output anschließen, der eine Box simuliert. Der Hi-Z-Output ist ein Ausgang, der den Palmer über den Instrumenten-Eingang mit einem großen Amp verbindet. Welche Möglichkeiten das birgt, lässt sich in der Praxis leicht erklären.
Zunächst kommt die 4×12″-Box angerollt, um den EINS zu schultern. Dabei wird deutlich, wie laut ein Watt sein kann. Bis zur 2-Uhr Stellung ist das Klangbild clean, aber schon sehr viel satter als ein gezügelter Röhrenverstärker mit deutlich mehr Leistung. Ab 2 Uhr cruncht sich der EINS zum leckeren brown sound. Der Tone-Regler hat eine angenehme Reichweite, die in Extrem-Einstellungen weder zu matschig noch zu spitz klingt.
Der Boost-Knopf schiebt den Sound zusätzlich kräftig an. Das Volume-Poti verwandelt sich in einen Gain-Regler und kreiert eine rotzige Zerre, die allerdings so stark drückt, wie ein Watt eben drücken kann. Dennoch hat der Ton, der da aus der Box kommt, mächtig Eier. Er lässt sich in knackige Riffs und schmatzende Power-Chords umwandeln. Der Tone-Regler gibt dem Sound die Schärfe, die er bei steigender Lautstärke verliert. So singt nicht nur Carlos Santana, sondern auch Toni Iommi.
In Verbindung mit einem Mischpult oder Audio-Interface lässt sich der EINS wunderbar über Kopfhörer spielen oder aufnehmen. Selbst große Stars verwenden im Studio kleine Röhrenamps, da diese dynamischer reagieren
als das Fullstack, das auf der Bühne zum Einsatz kommt. Der simulierte Boxenausgang schafft einen Sound, der sich mit einem Sequenzer leicht aufzeichnen lässt. Das Ergebnis ist frei von Störgeräuschen und so warm wie der über eine Box gespielte Ton. Trotzdem bleiben die Dynamik erhalten und jeder Ton facettenreich. So einfach sollte eine Aufnahme sein!Abb. 2: Das Herz-As unter den Miniamps: Der Palmer EINS
Zum Abschluss hängen wir den EINS vor einen großen Amp, indem wir ihn in den normalen Signalweg über den Instrumenten Eingang packen. Auch hierbei ergeben sich wieder mehrere Möglichkeiten. Zum einen wertet der Röhrensound des Verstärkers die Zehn-Watt-Transe enorm auf.
Der Clean-Sound wird dadurch sehr viel direkter, wodurch ein tolles Spielgefühl entsteht. Mit dem Boost-Schalter wird ein Ton erzeugt, der an ein sägendes Fuzz erinnert. Purpie haze all in my room! Je nach Größe des Speakers wertet der EINS einen Transistor-Amp gehörig auf. Zum anderen ist der Verstärker in Verbindung mit einer anderen Röhre ein hervorragender Booster. Die spärlichen Regelmöglichkeiten erinnern ohnehin an ein Effektpedal, und genauso lässt sich der Sound des EINS zusetzen oder eben zurückregeln. Dabei zeigt der Amp sein wahres Potenzial, denn plötzlich rockt er nicht mehr nur klassisch, sondern ziemlich deftig. Er hebt das Signal des Verstärkers stark an und spendiert dem Solo-Sound Schärfe, Wärme und Druck. Damit zeigt der EINS, dass er nicht nur Blues- und Rock-Gitarristen, sondern auch Metalheads unter die Arme greifen kann.
Das bleibt hängen
Dass Palmer gute DI-Boxen und Speaker-Simulationen herstellt, ist bekannt. Der EINS kombiniert diese nützlichen Helfer in einem Verstärker. Der hat zwar .. nur“ ein Watt Leistung, rockt aber weitaus mehr als vergleichbare Modelle. Die beiden Röhren schaffen einen sauberen Clean- und einen rotzigen Zerr-Sound, die dank einfacher Bedienung jederzeit warm klingen und kein Stück kratzen.
Der gute Ton ist allerdings nur der solide Grundstein für die weiteren Features. Während kleine Transistor-Arups durch den satten Overdrive-Sound wesentlich besser klingen, werden große Verstärker ordentlich angeschoben. Der simulierte Boxen-Ausgang ist dabei das Sahnehäubchen, das selbst die pappigste Eiswaffel enorm aufwertet. Das ist Eis für Erwachsene!
Weitere Informationen zum Produkt finden Sie hier:
http://www.palmer-germany.com/mi/de/EINS-1-Watt-Vollrohren-Gitarrenverstarker-PEINS.htm
Quelle: guitar Magazin, Deutschland, Mai 2013
Autor: Jens Prüwer
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