Palmer Fab 5 – Strandkorb für Gitarristen – Testbericht von Grand Gtrs
Nach dem „Eins“ nun fünf Watt: Palmer schickt sich mit dem Fab 5 Combo an, die Schlaf-/Wohnzimmer- und Probenraum-Gewohnheiten mit einem kleinen Vollröhren-Paket samt Gleichrichterröhre und integrierter „Endstufendrossel“ zu bedienen.
Das Logo mit den zwei Palmen prangt auf der rechten Seite der Verstärkerfront, zusammen mit der hellen Tweed-artigen Frontbespannung wirkt die Gehäuse-Optik in scheinbar geflochtenem dunklem Braun fast wie ein idyllischer, handlicher Strandkorb. Urlaub, so die Verheißung,ist Erholung, und so könnte man die psychologische Implikation weiterspinnen, Urlaub von schlechtem Übergangssound mit kleinen, mäßigen Schallschleudern ist dringend nötig. Es gilt, die Lustlosigkeit zu bekämpfen, die sich bei Amp und Spieler breitmacht, wenn ersterer unterhalb der gefühlten „Betriebstemperatur“ gefahren wird und dünne, glasig-klirrende Sounds weit entfemt von einer gesunden Endstufen-Auslastung dynamiklos aus dem Lautsprecher plätschern. Der Fab 5 steht demnach – so jedenfalls die optische Lesart – für unkomplizierten guten Sound in allen Lebenslagen, der zur Entspannung beitragen soll.
Optisch steht mit der Urlaubsflair-Tweed-Variante nicht mehr der minimalistische Look der bisherigen Palmer Verstärkerriege im Vordergrund. Im Gegensatz zum Topteil „Eins“ (siehe Test in grand gtrs 1/2013) mit dem leicht martialischen, industriellen Labor-Charme, verzichtet der Fab 5 auf die Speaker-Simulation für Recording-Zwecke, die etwa beim Modell „Eins“ verbaut ist, und die dortige Möglichkeit, einen Kopfhörer anzuschließen. Der Verstärker ist weniger für Studio-Experimente von Soundtüftlern gedacht, als für den „Alltagsbedarf“ eines Spielers konzipiert. Eine schlichte Komplettlösung für kompakten Vollröhren- Sound samt Tauglichkeit in verschiedenen Szenarien vom Probenraum bis zum Schlafzimmer. Deshalb ist er als kompakter Combo ausgeführt, mit 10 Zoll „Raging Cajun“-Speaker von Eminence. Wer in Anlehnung an das „Fab Four“- Idiom die Weiterentwicklung klassischen Beatles- bzw. Vox-Sounds sucht, ist beim Fab 5 falsch: Mit einer 6V6-Endröhre dürften eher klassische Fender ,,Tweed“-Sounds zu erwarten sein. Wie bei Palmer üblich, wartet der Fab 5 gewohnt minimalistisch mit
einem übersichtlichen wie effektiven Regler-Angebot auf, samt Volume, Tone und einem regelbaren Boost-Schaltkreis, für mehr Lautstärke und Sättigung, der bei Bedarf mit einem optionalen Fußschalter geschalten wird. Der Tone Poti regelt, ganz wie bei typischen Tweed-Amps üblich, die klangliche Gesamtabstimmung in Bezug auf Helligkeit und Präsenz. Die eigentliche Besonderheit des Konzepts liegt im eingebauten Attenuator, der „Endstufendrossel“, die die 5 Watt bei Bedarf neben der vollen Leistung auf „Bedroom“- und „Room“-Lautstärke kappt.
Praxis
Das „Bedroom“-Level bedient nächtliche Spielerbefindlichkeiten und liefert dazu angenehm direkte Ansprache sowie gut ausgesteuerte Endstufensättigung, was den Spielspaß, gerade in prekären Umgebungen, deutlich erhöht, anstatt lustlos auf einem ebenso lustlos untersteuerten Amp herumzudaddeln. Das „Schlafzimmer“-Level vermag allerdings voll aufgerissen den Kampf mit hellhöriger Nachbarschaft aufzunehmen, hier sind Reserven drin, die über mitternächtliche Verträglichkeit hinausgehen. Dafür geht der Amp schön in schmeichelnde Tweed-Zerre à la Neil Young über, nur mit weniger Bass-Fundament unter 300 Hz als etwa ein ,,großer“ Tweed-Amp (beispielsweise ein Tweed Deluxe). Die Tone-Einstellungen sind über den gesamten Regelweg hinweg gut einsetzbar: Unter 12 Uhr klingt der Gesamtsound angenehm „dunkel“ und warm, ohne dumpf zu matschen, über 12 Uhr wird die Abstimmung „fleischig“ mit kräftigen Mitten um 1,5 kHz und stärkerer Offenheit um 3 kHz. Im „Room“-Modus ist neben dem Schlafzimmer problemlos der Rest der Wohnung beschallbar, „FulI“ reicht dann auch, wie Palmer selbst kundtut, im Zusammenspiel mit gemäßigten Schlagzeugen. Im „Bedroom“-Modus wird allerdings deutlich, wie gut dem „Fab 5“-Design die Endstufenzerre tut. Danach will man eigentlich nicht mehr ohne. Und die „Endstufendrosselung“ ist ebenfalls mehr als gelungen, denn ihre Arbeit verrichtet sie wunderbar unspektakulär. Der „herunterskalierte“ Amp klingt nach wie vor lebendig und gut, komprimiert angenehm, ohne mit wahrgenommenen Artefakten den Sound zu „quetschen“.
Der Boost-Schaltkreis macht genau das, was man bei einem Tweed-Amp vermuten würde; ein leichtes bis kräftiges Anfetten des Zerrverhaltens und der Tiefmitten um 500 Hz, was zudem die Lautstärke erhöht. Es ist der typische Effekt, der den Spielspaß mit erhöht und stärkere Komprimierung liefert, so, dass der Amp ohne im Direktvergleich nahezu blass und nüchtern klingt. Bei erhöhter Endstufensättigung kommt der Effekt entsprechend deutlich zum Tragen, der Booster macht den Unterschied zwischen angezerrter Sättigung und „knarzender“, erdiger Tweed-Zerre.
Tweed ist weiter das klangliche Stichwort der Eintakt-Endstufe: Mit „fleischigerer“ Offenheit sind es etwa schwitzige Sounds in Richtung Johnny Marr bei „The The“ oder gar Hooters-Klänge à la „Johnny B“, hier kommen die Class-A-Obertöne zum Tragen. Waren es beim „Eins“ vor allem die differenziert abgestuften Clean Sounds, die zu den Stärken zählten, liefert der Fab 5 eine breite Palette an gesättigten bis kräftig übersteuerten Crunch-Klängen. Genauso, wie durch den Booster allerdings kein High-Gain-Monster aus dem Amp wird, sind ihm insgesamt auch nur bedingt Clean Sounds zu entlocken, dann befindet sich der Fab 5 schlicht nicht im „Sweet Spot“, im Arbeitsbereich, in dem er Spielspaß vermittelt. Ganz clean kann er zwar, klingt aber eher matt und leblos. Die Stärke liegt in fleischig-schwitzigen Tweed-Sounds, die nicht zuletzt dank des fehlenden Bass-Fundaments auch durchsetzungsfähig sind.
Dass der Boost-Schaltkreis mit einem optionalen Fußschalter fernsteuerbar ist, erscheint als sinnvoller Gedanke, in der Praxis würde ich den Booster als Teil des gelungenen Grundsounds immer eingeschaltet lassen wollen, da er die Klangästhetik und die Wirkungsweise des Amps angenehm bereichert. Einen gewollten „Lautstärkesprung“ dürfte bei Bedarf ein externer vorgeschalteter Booster übernehmen. Bei der Gelegenheit zeigt sich, dass der Fab 5 hervorragend mit verschiedenen Pedalen harmoniert und so den Zerrgrad des Gesamtsounds nach Wunsch modellieren lässt.
Details
Hersteller: Palmer
Modell: Fab 5
Typ: Combo, Vollröhre
Anschlüsse: Eingang, Ausgang (8 Ohm), Fußschalter-Anschluss für Boost-Schaltung
Getestet mit: Fender Esquire, Telecaster, Jazzmaster
Vorstufenröhre: 1 x 12AX7
Endstufenröhre: 1 x 6V6 (Einzeltakt-Betrieb)
Gleichrichterröhre: EZ81
Ausgangsleistung: 5 Watt
Kanäle: 1
Regler: Volume, Tone, Boost
Lautsprecher: 1 x Eminence Raging Cajun, 10 Zoll
Besonderheit: Attenuator auf der Rückseite für Endstufenlaufstärke („Bedroom“, „Room“, „Full“)
Preis: 449 Euro
Abmessung (B x H x T): ca. 36 x 35 x 23 cm
Gewicht: ca. 10kg
Fazit
Wer schon immer einen kleineren Tweed-Amp gesucht hat, der zu Hause und im Proberaum mit satter Endstufe glänzen kann, für den liefert Palmer eine gelungene Rundum-Lösung mit deutlichen Stärken in mittenbetonten Crunch Sounds. Dabei fehlen höchstens die „Luftigkeit“, das Fundament im Bass un die Komplexität einer zweiten Endstufenröhre, um ganz wie die „großen“ Tweed-Vorbilder zu klingen. Eine Kombination aus laut und leise (mit ebenfalls integrierter „Endstufendroffel“) bietet auch Tone King mit dem „Falcon“ (Test grand gtrs 1/2013). Dieser im Boutique-Segment angesiedelte Amp ist in seiner klanglichen Auflösung etwas komplexer, allerdings deutlich teurer. Eine eigene Fünf-Watt-Alternative liefert Palmer für Experimentierfreudige mit dem „Drei“-Topteil, das drei Fünf-Watt-Endstufen vereint, die parallel betrieben und gemischt werden können. Dabei kann jede Endstufe einen anderen Röhrentypen beherbergen.
Für weitere Informationen zu diesem Produkt:
http://www.palmer-germany.com/mi/de/FAB-5-Vollrohren-Gitarren-Combo-5W-PFAB5.htm
Quelle: Grand gtrs, Deutschland, Dezember 2013
Leave a Comment
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.