Palmer Amp „Eins“ – Vollröhre in klein – Testbericht von Grand Gtrs

Spielzeug für die Großen und „echter“ Röhren-Ton fürs Wohnzimmer, ganz ohne Power Soak: Der Palmer „Eins“ ist ein Vollröhren-Amp mit einem Watt. Da ist die Endstufenzerre auch bei leisen Lautstärken in ihrer ganzen Fülle und mit allen Schattierungen greifbar. Der Trick: Palmer setzt eine Vorstufen-Röhre als Endstufen- Röhre ein, so ergibt sich die harmonische Verzerrung bei geringer Lautstärke.

Wer einmal auf der Webseite eines exklusiven Designers war, stellt schnell fest, dass mit den Namen gerne hausiert wird, die Exklusivität aber oftmals nicht zuletzt darin besteht, dass die guten Stücke nicht so einfach zu haben sind, sondern nur in einzelnen „Flagship-Stores“, grob auf der Weltkarte verteilt. Erwischt man dann einen Designer, der seine noblen Waren gar online vertickert, schrecken dann doch überbordende Preise den durchschnittlichen „Jetzt will ich mir aber mal was gönnen“-Käufer ab. Um den Bogen zu unserem Palmer- Wohnzimmer-Amp zu spannen: Da sind es im Bottega Veneta Shop vielleicht die Leder-Handschuhe, die man sich mal gönnen könnte, für 390 Dollar. Teuer, klar, aber dafür auch gut. Und einen Blick hinter die Kulissen der teuren Träume kann man damit mal erhaschen. Ein bisschen wie derjenige, der sich ein Porsche-Modell im Maßstab 1:18 gönnt, in der verblümten Hoffnung, dass es – die richtigen Mittel vorausgesetzt – eines Tages wächst und gedeiht.

Bei Boutique-Röhren-Amps sieht das freilich etwas anders aus; selbst die teuersten Exemplare sind mit etwas Oberer- Mittelschichten-Schufterei (oder nahezu unsäglich vielen geschriebenen Zeilen) eigentlich fast immer irgendwann erschwinglich. Auch der Vintage-Markt ist bei Amps eher „handzahm“ geblieben. Aber so, wie sich der Porsche- Fahrer vielleicht gerne ein maßstabsgetreues Modell seines Lieblings auf den Schreibtisch zimmert, um sich im huschenden Rundblick ganz automatisch der Früchte seiner strapaziösen Entscheider-Qualitäten zu versichern oder im Wohnzimmer am Sinnbild der sportlichen Pferdestärken zu laben, mit denen er der schwer zu tragenden Verantwortung manchmal zu entkommen sucht, so kann der Gitarrist von Welt nun auch im eigenen Wohnzimmer ein passend skaliertes Exempel erwarten.

Eins

Der Palmer, ein 1 Watt Röhren-Amp, ist so ein Spielzeug für die Großen, das aber – maßstabsgetreu sozusagen – nicht Sound, sondern nur Lautstärke herunterskaliert hat. Folgerichtig zur Leistung steht mit leicht martialischem Industriecharme dann „Eins“ auf der Frontplatte, der Modellname. Palmer hat sich bislang vor allem durch kleine und große „Helfer“ hervorgetan, durch solide Praxislösungen, die sich einem Problem widmen, das man als Musiker gerne vernünftig aus der Welt geschafft haben mag. Netzteile, Effektgeräte, DI-Boxen und Speaker-Simulatoren etwa. Und auch mehr als hörenswerte Amps, wenn man die Gattung denn überhaupt als Problem bezeichnen will, das es wirklich zu lösen gilt; schließlich verhält es sich mit Amps doch wie mit Gitarren auch – so ein bisschen ist vielleicht auch der Weg das Ziel.

Nach dem Boom für Vollröhren-Amps mit verträglicher Leistung, der Suche nach Endstufenzerre für den Studio-, Proberaum- und Heimgebrauch wollte Palmer ein passendes Vollröhrenmodell anbieten, das sich neben sehr geringer Leistung auch mit passenden Optionen auszeichnet. Dazu gesellt sich eine Speaker-Simulation, die der Schaltung der Palmer PDI-09 „The Junction“-Gitarren-DI-Box entspricht. Die Simulation ist mit einem Lastwiderstand gekoppelt, sodass der Amp auch ohne Lautsprecher auskommt. Der Hi-ZAusgang liefert das Endstufensignal als hochohmiges Instrumentensignal; der Amp kann bei Bedarf direkt vor einen anderen Amp gehängt werden oder vor eine Endstufe, theoretisch gar als „Endstufenverzerrungs- Pedal“ auf dem Pedalboard landen.

Schaltung

Die Idee, die die kleine kreative Röhrentechnik-Manufaktur Finetone BF bereits 2006 als Topteil vorgestellt hat – Vorstufenröhren als Endstufenröhren zu verschalten –, sie hat inzwischen den Wohnzimmer“-Markt erobert. Der Palmer-Amp geht nach dem gleichen Prinzip vor wie der kleine Fender „Greta“-Combo und der Vox „Little Nighttrain“. Palmer setzt standardmäßig eine ECC83- als Vorstufe und eine ECC82-Röhre als Endstufe ein. Wer gerne mit Röhren experimentiert, kann zudem andere CCKombinationen (ECC81, 82 oder 83 in der Endstufe) ausprobieren, um den Amp noch leiser zu machen, schneller zerren zu lassen oder den Clean-Bereich und den Headroom zu erhöhen sowie die Kolorierung der Verzerrung zu beeinflussen.

Abseits, aber in gleichen Gefilden existiert etwa noch der Jet City Picovalve, der grundsätzlich lauter ist als die „Wohnzimmer“-Fraktion, aber mit einer 2-Watt-Schaltung auch einen ähnlichen „Heimbedarf“ abdeckt, und das Z.Vex „Nano“-Topteil, das mit 6021-Röhren allerdings einen gänzlich anderen Röhrentyp verwendet.

Praxis

Die erste Ernüchterung: Klein und fein kann auch kontraproduktiv sein – zumindest, was die Aufstellung angeht. So richtig will der Palmer nicht auf die 1×12 Zoll Box von Divided by 13 zum Test passen, er stört sich am Griff der Box, der Unterboden des kleinen Topteils liegt zu sehr auf. Stattdessen muss er dann unliebsam schräg auf der Seite seinen Platz einnehmen. Das torpediert die geordneten Wohnzimmer-Verhältnisse ein wenig, schafft aber keine bleibenden Verstimmungen.

Das Bedien-Panel auf der teils angeschrägten Frontplatte ist aus dem Stand bedienbar, wie etwa bei den Diezel-Topteilen. Die Test-Box ist mit einem Celestion „Gold“-Speaker ausgestattet, der sich durch hohen Wirkungsgrad auszeichnet. Einen Meter vor der Box liegt die „Eins“-Maximallautstärke bei 83 dB Spitzenwert und 70 dB Durchschnittswert (RMS). Das entspricht laut Messguru Eberhard Sengpiel einem Staubsauger in einem Meter Entfernung. Der „Eins“ ist maximal also genauso laut wie das häusliche Service- Gerät, nur klingt er deutlich differenzierter. Er hat eine schöne „Kante“, bietet eine crunchige Attitüde. Der Amp komprimiert schön, kann dabei trotzdem auch noch mehrere gleichzeitig mit einem Looper eingespielte Spuren – auch eine typische „Heim-Anwendung“ neben einfachem Spielen – gut wiedergeben, ohne von dem dichten Input-Signal in gefühltem „Matsch“ zu ertrinken, „zuzumachen“ und die Signaltrennung zu veröden.

Die Regler sind übersichtlich gehalten: Volume, Tone, Boost-Schalter, für mehr bersteuerung. Nichts falsch machen, nicht verzetteln, kein Problem. „Tone“ dient als Höhen- bzw. Präsenz-Regler, der die Klangfarbe abstimmt. Die Testgitarre, eine 52er Reissue-Tele, klang zwischen 10 und 11 Uhr am stimmigsten, darüber überproportional hell um 3 kHz, darunter in der Klarheit um 3 kHz „gekappt“. Der Fender „Greta“ bietet im Direktvergleich über die Divided by 13 Box hellere Obertöne, ausgeprägtere Basswiedergabe um 300 Hz sowie auffächerndere, hochauflösendere Sättigung um 2 kHz. Der Klang ist weniger komprimiert, der Amp reagiert dafür anschlagsdynamischer.

Die Stärke des Palmer liegt dagegen in den Clean Sounds; hier bietet er größere Bandbreiten, deckt mehr Bereiche ab, als etwa der recht schnell in die Sättigung gehende „Greta“ leistet. Versteckte, aber umso größere Stärken des „Eins“ liegen in der „virtuellen“ Umsetzung: Die Lautsprecher-Simulation überzeugt durch ihre Dynamik-Wiedergabe, die sich nur knapp von der eines richtigen Lautsprechers unterscheidet, und klingt etwas heller in den oberen Mitten um 2 kHz und mit weniger „Tiefmitten-Dampf“ und Rauheit um 400 Hz. Das sind allerdings Nuancen; vorbei sind die Zeiten, in denen Speaker-Simulationen zu pickeligen Höhenfräsen mutierten oder in denen man gar einem digitalen Amp-Simulator wegen seiner Speaker-Simulation behielt, ihm für das Spiel mit dem Kopfhörer eine Aufgabe, ein Bleiberecht zugeschustert hatte, das die verbrämtdumpfen Klangqualitäten mit Energie schluckender Ansprache eigentlich nicht rechtfertigten. Endlich einen Weg, über ein Mischpult mit Kopfhörer am eigenen Spiel und Anschlag zu feilen, ohne – mangels differenzierter Ansprache – in völliger Unsicherheit zu „schwimmen“.

Fazit

Vor allem die nuancierte Einstellmöglichkeit der Clean- Schattierungen zählt zu den Stärken des Amps, und die Lautstärke eignet sich dann gar für gefahrloses Daddeln mit der Familie im gleichen Raum. Und auch wenn ihm einzelne Zusatz-Features der Konkurrenz – etwa ein Line- In beim „Greta“ zum Musikhören mit dem Smartphone – fehlen: Die gelungene Speaker-Simulation und auch der Amp-Ausgang, der die Vollröhrenzerre anderen Gegebenheiten zuführen lässt, sind Alleinstellungsmerkmale. Dass er auch noch kompakt ausfällt wie eine große stabile Vesper- Box, stört sicher nicht. Und wenn’s noch kleiner sein soll: Der Palmer „Pocket Amp“ ist ein, der Name verrät es, Amp im Effekt-Format mit Kopfhörerausgang und Speaker-Simulation. Und der passt dann im Zweifel auch im Arbeitszimmer noch auf den gut gefüllten Schreibtisch – neben das Porsche-Modell.

DETAILS
Hersteller: Palmer
Modell: Eins
Anschlüsse: Eingang, 2 x Ausgang (8 & 16 Ohm), „Simulated Output“- Line Out, Hi-Z-Amp-Ausgang
Getestet mit: Fender ’52 Reissue Telecaster mit Lollar/GVCG Alnico 3 Tonabnehmern
Vorstufenröhre: 1 x ECC83
Endstufenröhre: 1 x ECC82 (Einzeltakt-Betrieb)
Ausgangsleistung: 1 Watt
Kanäle: 1 (mit Boost-Schalter)
Regler: Volume, Tone, Boost-Schalter
Abmessung (B x H x T): ca. 21 x 13 x 11 cm
Gewicht: ca. 2,3 kg
Preis: 248 Euro

Hier gibt es alle Informationen zum Palmer Eins:
http://www.palmer-germany.com/mi/de/EINS-1-Watt-Vollrohren-Gitarrenverstarker-PEINS.htm

Quelle: Grand Gtrs, Deutschland, Februar 2013
http://www.grandguitars.de/

Autor: Nicolay Ketterer

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