Palmer DREI – Dreifach-Eintakt-Gitarrenverstärker – Testbericht von Sound on Sound

Im Recording-Bereich ist der Palmer DREI der wahrscheinlich vielseitigste Röhren-Gitarrenverstärker, den wir bisher kennen gelernt haben …

Bekannt ist die Firma Palmer wohl in erster Linie durch ihre Lautsprechersimulatoren/Loadboxen, die von unzähligen Gitarristen eingesetzt wurden und werden. Vor nicht allzu langer Zeit expandierte Palmer zunächst in den Bereich Fußpedale und Switcher. 2010 wurde erstmals (und ohne großen Medienrummel) ein Palmer-Röhrenverstärker vorgestellt, der Highgain-Amp Fat50, dem in diesem Jahr einige Lautsprecherboxen für Gitarre folgten. Mit der Präsentation des Palmer DREI – eines „3 in 1“-Eintakt-Verstärkers mit drei verschiedenen Endstufen in Class-A-Schaltung, konstruiert vom Palmer-Mitarbeiter Markus Torvinen – erreicht diese Entwicklung nun einen vorläufigen Höhepunkt, denn dieser Amp ist eine Klasse für sich. Und das ist durchaus wörtlich gemeint.

Die Optik
Optisch erinnert der DREI eindeutig an frühere Zeiten, als Röhren noch die Welt regierten und weißbekittelte Ingenieure Verstärker bauten, die einfach ewig halten sollten – getreu der Regel „Form folgt Funktion“, und vollkommen ohne das Zutun irgendwelcher Marketing-Leute oder Design-Gurus. Entsprechend präsentiert sich der DREI mit grau lackiertem Chassis und abgeschrägtem Bedienpanel, geschützt durch ein schwarzes Metallgehäuse. Insgesamt erinnert das Styling deutlich an ein Röhrenradio aus den 1950er Jahren! Wenn man sich den Bedienbereich etwas näher anschaut, fallen zunächst die weißen Siebdruck-Beschriftungen in deutscher Sprache auf – eine wirklich nette Reminiszenz an die guten alten Röhrenradios im Stile eines Grundig, Blaupunkt, Braun oder Siemens.

Auch das Layout der Frontplatte zeigt auf den ersten Blick, dass es sich hier nicht um einen gewöhnlichen Verstärker handelt. Dem einzigen (entsprechend beschrifteten) Klinken-Eingang folgen die Gain-Regler für die parallel geschalteten Preamp-Kanäle „Normal“ und „Höhen“. Dann kommt der „Klang“-Regler und anschließend die Lautstärkeregler für die drei separaten, ebenfalls parallel arbeitenden Endstufen: „Eins“, „Zwei“ und „Drei“.

Wie alle guten Röhren-Amps ist der DREI für seine Größe ziemlich schwer, mit massiven Netz- und Ausgangstransformatoren und einer beachtlichen Anodendrossel, die den oberen Bereich des Chassis dominieren. Dahinter befinden sich die Röhren: drei 12AX7-Preamp-Röhren, drei Endstufenröhren (EL84, 6V6 und 6L6) und, last but not least, die GZ34-Gleichrichterröhre. Die drei Endröhren des DREI – eine EL84 (Eins), eine 6V6 (Zwei) und eine 6L6 (Drei) – versorgen die drei separaten, parallel geschalteten Eintakt-Leistungsverstärker der Klasse A. Ein Eintakt-Leistungsverstärker („Single-Ended“-Verstärker) besteht ganz einfach aus einer Röhre und einem Ausgangstrafo. Die Integration einer Anodendrossel deutet jedoch auf eine Parafeed-Ausgangsschaltung hin, die ein besseres Wiedergabeverhalten in den Bässen gewährleistet als ein „reiner“ Eintaktverstärker und die Sättigung des Ausgangsübertragers vermeidet. Ein großes Plus, da der DREI über drei primäre Ausgangswicklungen verfügt.

Beim Blick ins Innere des Gehäuses war die GZ34-Gleichrichterröhre eine angenehme Überraschung, da viele moderne Röhrenverstärker mit Halbleiter-Gleichrichtern bestückt sind. In der Tat kann der DREI auch darauf umgerüstet werden, wenn ein wenig mehr Power gewünscht ist. Ich bin ein großer Fan von Röhren-Gleichrichtern, denn ich liebe die Endstufenkompression, die die Ausgangsröhren produzieren, wenn man den Amp an seine Grenzen fährt.

Auf der Palmer-Website gibt es ein Video (www.palmer-germany.com/192-1-drei.html), in dem DREI-Entwickler Markus Torvinen ausführlich über seinen Amp berichtet. Ich persönlich bin eigentlich eher ein Gegner moderner Technik, jemand, der Röhren-Amps lieber einzeln verdrahtet sieht. Wenn der Entwickler allerdings erklärt, dass er sogar eine handverdrahtete Version des DREI gebaut hat und keinen Unterschied zwischen diesem und der Serienversion mit Platine hört, bin ich gerne bereit, mich überzeugen zu lassen. Ebenfalls hellhörig werden ließ mich die Tatsache, dass im Signalweg des Amps nur fünf passive Komponenten zu finden sind – was einmal mehr den puristischen Ansatz von Torvinens Konzept unterstreicht.

Der Sound
Bevor es ans Spielen des DREI ging, schloss ich ihn erst einmal an eine THD 2x12er Box an und ließ ihn 24 Stunden laufen, um die Röhren einzubrennen. Um Klasse-A-Eintaktverstärker mit Röhrenendstufen ranken sich in der HiFi-Welt Mythen und Legenden, bei Gitarrenverstärkern (insbesondere mit Röhren-Gleichrichtern) sind Sie jedoch Garanten für eine außerordentlich sensible, dynamische Ansprache. Hinzu kommt der warme, ausgewogene Klang mit seiner natürlichen, „unerzwungenen“ Verzerrung, wenn man denn Verzerrung wünscht. Es überrascht also nicht, dass sich dieser Verstärkertyp nach wie vor großer Popularität erfreut.

Einen Nachteil haben Eintaktverstärker allerdings: die niedrige Ausgangsleistung, die sie auf den Einsatz in Übungs- und Recording-Combos wie dem Vox AC4TV (mit EL84-Röhre), dem Fender Champ (6V6) oder dem Cornell Romany (6L6) beschränkt. Stellen Sie sich nun vor, dass Sie diese drei Amps zusammen einsetzen, und Sie erhalten eine Vorstellung von den Sounds, die Sie mit dem DREI erzielen können. Übrigens: Obwohl die geschmackvoll gestaltete, ledergebundene und von Markus Torvinen persönlich signierte Bedienungsanleitung dies nicht ausdrücklich erwähnt, findet sich im Palmer-Katalog noch die Information, dass sich die 6L6 auch gegen eine EL34 austauschen lässt – was uns direkt in Marshall-Territorium führt.

Den DREI zu spielen macht richtig Spaß. Wenn man die jeweiligen Eingangsschaltungen mit den verschiedenen Endstufen kombiniert, erhält man genau die Sounds, die man erwarten würde – einen glockigen, obertonreichen Klang beim „Eins“, einen etwas dunkleren Klang und weicheren Overdrive beim „Zwei“ und beim „Drei“ einen noch etwas dunkleren, volleren Sound mit druckvollerem Bass und mehr Attack. Beginnen Sie damit, diese drei Endstufenvarianten mit verschiedenen Gain-Einstellungen des „Normal“- und des „Höhen“-Preamp-Kanals (und natürlich auch des Lautstärkereglers Ihrer Gitarre) zu testen, und Sie werden feststellen, dass Sie viele glückliche Stunden damit verbringen, genau den Sound herauszukitzeln, nach dem Sie suchen. Ein Notebook, um sich die Einstellungen der besten Kombinationen schnell zu notieren, ist dabei keine schlechte Idee, denn es gab kaum einen Sound, den ich nicht mochte.

Alternativen
Zwei als Serienprodukte erhältliche Alternativen zum DREI konnte ich finden, doch keiner dieser Amps liefert exakt das, was der DREI zu bieten hat. Die erste Alternative ist der THD Bivalve, der die Option bietet, zwei beliebige Endstufenröhren mit Oktalsockel gleichzeitig anzusteuern und die unterschiedlichsten Preamp-Röhren einzusetzen. Dieser kleine Amp erlaubt es, die Röhren nach Belieben zu kombinieren, bis Sie ‚Ihren‘ Sound gefunden haben. Wie der DREI zeichnet sich auch der Bivalve durch separate Transformatorwicklungen für jede Röhre aus, die Balance zwischen den einzelnen Bereichen lässt sich jedoch nicht variieren. Leider ist der Bivalve zur Zeit so schwer zu kriegen wie nie, und Sie müssen sich schon eine Weile umschauen, um noch einen zu finden. Eine andere mögliche Alternative zum DREI wäre der Mesa Boogie Transatlantic TA15, der eine Einstellung besitzt, die EL84 im Class-A-Betrieb mit 5 Watt Verstärkerleistung zu fahren. Der Transatlantic ist zwar nicht direkt mit dem DREI zu vergleichen, seine klanglichen Möglichkeiten und der zweikanalige Preamp zeichnen sich jedoch durch eine große Sound-Vielfalt aus.

Fazit
Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich beim Spielen eines brandneuen Amps so viel Spaß hatte. Außer der Tatsache, dass die Klangregelung des Palmer DREI in der zweiten Hälfte des Regelwegs nicht mehr sonderlich viel Veränderung bewirkt, habe ich nichts zu beanstanden. Der eine oder andere könnte vielleicht bemängeln, dass der DREI weder mit einem Effektweg noch mit einem DI-Ausgang ausgestattet ist, das stört mich aber überhaupt nicht – und wird durch das Vergnügen beim Spielen vollkommen wettgemacht. Der Palmer DREI ist einer der seltenen Amps, die ganz einfach zu bedienen sind, hervorragend klingen und einen wirklich inspirieren. Echte Sound-Fans werden dieses kleine Topteil lieben, und ich würde es wirklich gerne mal mit Vintage-NOS-Röhren hören. Außerdem bietet der DREI meiner Ansicht nach ein exzellentes Preis-Leistungs-Verhältnis. Selbst wenn man noch den Preis einer Box hinzurechnet, kenne ich keine Konfiguration, die so viel Leistung fürs Geld bietet. Wenn Sie also nach einem Recording-Amp oder einer Lösung für kleine Gigs suchen, dann empfehle ich Ihnen, den Palmer DREI unbedingt anzutesten. Er ist einfach großartig.

Plus

  • Einzigartiges Konzept mit drei Endstufen
  • Charakteristisches Design im typischen Retro-Stil
  • Reine Röhrenkonstruktion – inklusive Gleichrichter
  • Hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis
  • Exzellenter Sound

 

Minus

  • Kein Direktausgang, kein Effektweg

 

Zusammenfassung

Als einziger Verstärker seiner Art kombiniert der Palmer DREI zwei parallele Preamps mit drei separaten, parallel geschalteten Eintakt-Leistungsverstärkern mit EL84-, 6V6- bzw. 6L6-Röhre zu einem ausgesprochen inspirierenden Amp mit einer beeindruckenden Klangvielfalt von Clean bis Heavy Distortion. Ideal fürs Tonstudio und Auftritte auf kleinen Bühnen – der DREI hat das Potenzial, sofort zu einem echten Klassiker zu avancieren.

Weitere Informationen erhalten Sie hier:
http://www.palmer-germany.com/mi/de/DREI-3-fach-Eintaktverstarker-PDREI.htm

Quelle: Magazin „Sound on Sound“, Großbritannien, Dezember 2011

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