Wundertüte – Palmer Pocket Amp – Testbericht von Grand Gtrs

GRAND EFFECTS & ACCESSORIES

Bei dem Attribute-Trio „quadratisch, praktisch, gut“ fiel mir früher nur das kalorienreiche Naschwerk eines bekannten schwäbischen Süßwarenherstellers ein. Umdenken ist angesagt, denn da gibt es ein opulent ausgestattetes Helferlein im Westentaschenformat, das zwar nicht so gut schmeckt, dafür aber lecker klingt und vor allem für Gitarristen immens praktisch ist. Bühne frei für den Palmer Pocket Amp!

Analoges Modelling
Zugegeben, das Konzept des Pocket Amps ist keineswegs neu. Schon lange vor Aufkommen der digitalen Modelling-Emulationen gab es Geräte in guter, alter Analogtechnik, die ähnliche Aufgaben erfüllten. Zu deren wichtigsten Vertretern gehörte Ende der 1980er-Jahre der Ur-Sansamp mit seinem friemeligen Mäuseklavier. Sein Nachfolger namens GT-2 ist übrigens bis heute im Handel erhältlich, er kostet allerdings fast dreimal so viel wie unser heutiger Kandidat, was doch aufhorchen lässt.

Runde Ecken
Schon beim ersten Berührkontakt wirkt der Pocket Amp haptisch vertrauenerweckend. Ein massiver Rahmen aus gebürstetem Aluminium mit handschmeichelnd abgerundeten Ecken schmiegt sich wie eine Box-Autostoßstange um das im Palmer-typischen Dunkelgrau gehaltene Bedienfeld. Darauf tummeln sich vier Drehregler (DRIVE, LEVEL, TREB., BASS), vier Schiebeschalter (AMP, MODE, MIC, GND) und ein DRIVE-Schalter. An der Stirnseite stöpselt man das Instrument ein, die Rückseite bietet neben einem unsymmetrischen Klinkenausgang und einem symmetrischen XLR-Ausgang mit vergoldeten Kontaktstiften einen Aux-Eingang für eine externe Signalquelle (CD- oder MP3-Player) sowie eine Anschlussbuchse für ein Netzteil, welches nicht zum Lieferumfang gehört.

Eine Miniklinkenbuchse erlaubt den Anschluss eines – möglichst niederohmigen – Kopfhörers. Dank seiner teilweise kuriosen Beschriftung legt der Pocket Amp einen gewissen hemdsärmeligen Charme an den Tag. So scheint man die Beschriftung der Eingangsbuchse vergessen zu haben, bis der Blick zufällig auf das Wort „Input“ auf der Oberseite fällt. Treble ist mit „Treb.“ abgekürzt, „Britt.“ hat ein t zu viel … nur mal so am Rande bemerkt. Weitaus wichtiger für die Praxis und sehr löblich ist dagegen die großflächig mit festem Moosgummi beklebte Unterseite mit dem versenkt angebrachten Batteriefach.

Sounds mit Kante
Bei Batteriebetrieb wird der Pocket Amp durch Einstecken des Instrumentenkabels Box, die allerdings nicht klangneutral arbeitet, sondern einen füllig-warmen Charakter offenbart. Sämtliche Regler und Schalter sind dabei funktionslos, somit ist auch keine Lautstärkeregelung möglich. Der Drive-Schalter aktiviert die Drive-Sektion (ach was?), nun leuchtet statt der grünen die rote LED. AMP wählt eine von drei Verstärkersimulationen (Tweed, Britisch oder US) an, MODE bestimmt den Verzerrungsgrad (Clean, Crunch oder Heavy), MIC die virtuelle Mikrofonposition. Classic simuliert hierbei einen großen Abstand zum Lautsprecher, Centre entspricht mittig auf Speakerachse und Off X schräg dazu. Der GND (Groundlift)-Schalter beseitigt durch die Trennung von Signal- und Gehäusemasse eventuelle Brummschleifen.

Clean verdient nur beim Tweed-Modell diese Bezeichnung, ansonsten cruncht es hier schon ganz kräftig. Der Tweed klingt deutlich leiser und für meinen Geschmack zu dumpf, Level und EQ können das aber recht gut ausbügeln. Mit der Strat gelang mir sogar eine authentische Nachbildung der rotzigen Gitarre in „We can’t dance“ von Genesis. Britt und US weisen die gleiche Zerrstruktur auf, jedoch mit unterschiedlicher Equalisation.

Erwartungsgemäß betritt man mit Britt eher aggressives Marshall-Soundterrain, wogegen US mehr in Richtung Scooped American High-Gain geht. Die Abstimmung der Zerrgrade könnte etwas besser sein, der Sprung von Crunch zu Heavy ist je nach Stellung des Drive-Reglers und verwendeter Gitarre kaum wahrnehmbar, selbst Crunch liefert schon High-Gain-Sounds. Hier würde ich mir (Mk2-Version?) eine niedriger angesetzte Grundverstärkung der Amp-Modelle wünschen, damit stets auch eine cleane Variante zur Verfügung steht.

Für die nötige Zerre sorgen dann Crunch und Heavy ohne Probleme. Trotzdem können die gebotenen Sounds fast durch die Bank gefallen. Unabhängig vom eingesetzten Gitarren-Amp, Kopfhörer oder Recording-Equipment wird man hier schnell seine Favoriten finden und kreativ nutzen können. Je stärker der Zerrgrad, umso deutlicher werden die Unterschiede bei der Mikrofonposition hörbar. Am besten gefiel mir fast immer Off X mit leicht abgesenkten aktiv, die grüne Power-LED meldet sich. In Hochmitten und sattem Schub- einfach ausdieser Betriebsart ist er eine pegelstarke DI- probieren, man merkt sehr schnell, ob einem das Ergebnis zusagt oder nicht. Die Wirkung des Bassreglers reicht von gertenschlank bis wuchtig. Bei Treble ist Vorsicht geboten, schnell wird der Sound zu giftig und es rauscht vernehmlich. Optimale Einstellungen liegen hier zwischen neun und ein Uhr. Dann singt der Kleine, dass es eine Freude ist.

Resümee
Was kann das knuffige Kistchen eigentlich nicht? Vielseitiger, klangstarker Kopfhörer-Übungsamp, DI-Box mit Parallelnutzung beider Ausgänge zum Anschluss an Mixer/PA und Gitarrenverstärker und schließlich Amp-Simulator mit der Möglichkeit, Gitarrentracks nachträglich zu veredeln oder zu verfremden (Stichwort Re-Amping) – ein überzeugendes Gesamtpaket. Komplettiert wird die großzügige Ausstattung durch den Aux-Eingang zum Andocken eines externen Zuspielers. Als reinrassiger Vorschaltverzerrer ist der Pocket Amp weniger geeignet, das können andere Geräte besser, und der kleine Drive-Schalter ist auf Dauer sicher nicht fußtauglich. Der ,,Aschenbecher“ (0-Ton A. Huthansl) ist prima verarbeitet und dank Batterie- oder Netzteilbetrieb universell einsetzbar. Ein feines Gerät mit kleineren Schwächen zum fairen Taschengeldpreis. Und ein heißer Tipp für den nächsten Urlaub – passt in jeden Koffer.

DETAILS

Hersteller: Palmer
Modell: Pocket Amp
Herkunftsland: Deutschland
Gerätetyp: Ampsimulator, Kopfhörer-Übungsamp und DI-Box
Regler: Drive, Level, Treb., Bass
Schalter: Amp, Mode, Mic, Gnd; Drive
Anschlüsse: Input, Output, XLR Output, Aux ln, DC 9V, Phones
Spannungsversorgung: 9V-Batterie oder Netzteil (nicht im Lieferumfang)
Maße (L x B x H): 98 x 98 x 54 mm
Gewicht: ca. 370 g
Preis: 86 Euro
Getestet mit: Fender Stratocaster, Tokai Loverock; Une 6 Spider IV
Vertrieb: Adam Hall, Neu-Anspach

Hier gibt es alle Informationen zum Palmer Pocket Amp: http://www.palmer-germany.com/mi/de/PEPAMP-Pocket-Amp-PEPAMP.htm

 

Quelle: Grand Gtrs, Deutschland

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