Multi-Amping für jeden Geschmack – P3EASY & PCABSW4X – Testbericht von Soundcheck

Palmer Guitar Tools Ptino, P3Easy & PCABSW4X

Multi-Amping für jeden Geschmack

Nutzt man live unterschiedliche Gitarren, deponiert man sie am besten im Multistativ, Effekte packt man ins Pedalboard oder Rack. Aber wie verfährt man am sichersten und sinnvollsten mit mehreren Verstärkern oder Boxen? Palmer hat in der Guitar-Tools-Serie die passenden Spezialwerkzeuge für einen reibungslosen Ablauf.

Gerade wir Gitarristen lieben gutes Equlipment und können davon gar nicht genug haben. So sammeln sich im Laufe der Zeit diverse Instrumente, immer mehr Effekte und nicht selten sogar mehrere Verstärker oder Boxen an. Will man solche Anlagen jedoch im Studio oder auf der Bühne vernünftig einsetzen, wird es kompliziert Und das nicht nur, weil man wesentlich mehr Zeit zum Auf- und Abbauen braucht, sondern weil das Kombinieren unterschiedlicher Verstärker oder Lautsprecher auch technisch nicht ganz ohne ist.

Je nach Aufbau und Anwendung des Multi-Amping-Setups ergeben sich nämlich spezifische Probleme, die zwingend Zusatzgeräte zur sicheren Umschaltung erfordern. Palmer beschäftigt sich schon seit langer Zeit mit solchen Themen und bietet in der Guitar-Tool-Serie. auch für besonders schwierige Fälle, einige hochwertige Problemlöser an. Drei davon stellen wir euch hier vor.

Alle hier getesteten Palmer-Geräte sitzen in massiven absolut verwindungsfesten Stahlblechgehäusen und sind mit stabilen Anschlüssen und Schaltern ausgestattet. Damit man die Pedale vernünftig auf einem Effektboard, im Rack oder sonst wo befestigen kann, gibt es auf der Gehäuseunterseite zwei Bohrungen. Ein paar Schrauben halten eben auf Dauer doch mehr aus als Klettbandlösungen. Bei den fernschaltbaren Switchboxen, die aus praktischen Gründen jeweils nahe beim Amp verbleiben sollten, hat man darauf verzichtet. Vermutlich würde sich auch niemand so eine Kiste direkt an das geliebte Amp-Top oder die Box nieten. Auch im Inneren der Gehäuse findet man nur hochwertige Bauteile und penible Verarbeitung. Kurzum, wir haben es hier mit im besten Sinne traditioneller Qualität Made ln Germany zu tun haben, was sich dann auch bei den Preisen bemerkt macht. Wobei diese im Vergleich zu so manchen sogenannten Boutique-Produkten von jenseits des großen Teiches noch moderat ausfallen.

Zum Betrieb der Pedale ist übrigens in jedem Fall jeweils ein eigenes oder ein entsprechend dimensioniertes Mehrfachnetzteil erforderlich.

Alle drei Signal-Router arbeiten ausschließlich aktiv, und die integrierten High-End-Pufferschaltungen sind hungrig. Mit Batterien käme man da nicht weit. Zumindest die Switchboxen werden aber immerhin von den Pedalen mitversorgt. So viel zu den Gemeinsamkeiten, sehen wir uns die Geräte nun im Detail an. Um den Einstieg in das Thema zu erleichtern, beginnen wir mit dem P3Easy-Oreifach-Signal-Router. Die alternative Signalverteilung auf unterschiedliche Verstärker ist noch vergleichsweise einfach zu bewerkstelligen und zu verstehen. Das geht im Grunde bereits rein mechanisch, mit einer passiven NB-Box.

Also Gitarre in die Verteilerkiste, Ausgang A zum ersten, Ausgang B zum zweiten Amp, und fertig? Na ja, nur fast. Denn schon tauchen die ersten Stolpersteine auf. ln den meisten Fällen brummt es mächtig, sobald wir den zweiten Verstärker angeschlossen haben.

Durch die doppelte Erdung haben wir uns nämlich gerade eine schöne Brummschleife gebastelt. Um diese zu unterbinden, benötigt man einen Trennüberträger, der die beiden Ausgänge galvanisch entkoppelt Genau diese finden wir im P3Easy. Die Ausgänge .1• und .2• übertragen das Signal erdfrei, der dritte ist geerdet, damit die Störgeräuschunterdrückung an der Gitarre normal funktionieren kann. Verwendet man diesen Ausgang jedoch nicht oder beispielsweise für ein Stimmgerät, würde nun die Masseverbindung über den Amp Input komplett fehlen.

Für solche Fälle lässt sich jedoch Ausgang .1″ mittels des daneben angebrachten Druckschalters von „Lift“ auf „Ground“ umschalten. Da hat man sich Gedanken gemacht. Weniger begeistert bin ich von der Tatsache, dass das Gerät keinen Havariemodus vorsieht. Sollte sich im Einsatz versehentlich mal das nicht arretierte Stromkabel lösen oder dem Netzteil ein Unglück zustoßen (Vorsicht vor frei laufenden Sängern!). steht man erst mal dumm da. Kein Saft, kein Sound lautet das kompromisslose Motto. Praxisgerechter wäre eine Schutzfunktion, die in so einem Fall das Signal einfach fest beispielsweise auf Ausgang 1 durchschaltet, damit man den Song noch zu Ende spielen kann, ohne erst umstöpseln zu müssen. Davon abgesehen muss man dem P3Easy jedoch eine makellose Performance bestätigen. Die Umschaltung zwischen den drei Ausgängen funktioniert geschmeidig und ohne Nebengeräusche. Und was noch wichtiger ist, es ist praktisch keine Klangveränderung gegenüber dem direkten Anschluss an den Amp festzustellen. Der integrierte Class-A-FET -Prea mp hebt den Pegel nicht an, sondern sorgt lediglich für einen Hauch mehr Transparenz, da er das Signal der passiven hochohmigen Tonabnehmer umwandelt und niederohmig am Verstärkereingang anliefert. Ohne diese Schaltung hätte man Einbußen bei den hohen Frequenzen zu vermelden, weil die kapazitive Wirkung durch die zusätzliche Kabelstrecke das Signal belasten und bedämpfen würde. So ist es also sicher besser.
Ansonsten nimmt man das Vorhandensein des P3Easy klanglich eigentlich nicht wahr. Übrigens, wer hier die Möglichkeit vermisst. auch mal zwei Amps gleichzeitig spielen zu können, der größere Bruder, Triage genannt, bietet diese Möglichkeit. und noch einiges mehr.

Einen anderen Ansatz verfolgt Palmer mit dem Ptino Two in One. Zwar kann man auch mit diesem Tool zwischen zwei Amps wählen. Allerdings werden nicht einfach zwei Anlagen wahlweise angefahren, sondern zwei Amp-Tops auf ein Lautsprecher-Cabinet geschaltet Das spart natürlich gerade im Live-Betrieb eine Menge Stress. Man transponiert weniger und muss auch nur eine Box mikrofonieren und kann trotzdem zwei ganz verschiedene Verstärker im direkten Wechsel verwenden. Da sich die hohen Spannungspegel, die sich zwischen Endstufe und Lautsprecher bewegen, nicht so ohne Weiteres und vor allem nicht gefahrlos schalten lassen, ist dafür schon ein etwas größerer Aufwand nötig. Deshalb besteht das Ptino-System auch aus zwei Komponenten, dem Fußschalter und der Switchbox, die mittels Control-Kabel verbunden sind. Über dieses fünfpolige XLR-Kabel, das sinnvollerweise zum Lieferumfang gehört und mit einer Länge von 6 m für die meisten normalen Anwendungen ausreichen dürfte, wird die Switchbox mit Strom versorgt und erhält das Instrumenten- und Steuerungssignal am Fußschalter werden also zunächst ein (wiederum nicht mitgeliefertes) 9V-Netzteil und die Gitarre angeschlossen.

An der Switchbox werden dann die Tops- wie in einer Effektloop- gewissermaßen eingeschleift. Das ist gerade bei Röhrenverstärkern zwingend notwendig, weil deren Endstufen ja nicht leerlauffest sind und grundsätzlich nicht ohne Box betrieben werden dürfen. Beim Umschalten des Ptino werden deshalb zunächst die Amp-lnputs über Optokoppler stumm geschaltet, erst dann öffnen und schließen die entsprechenden Relais für die Speaker Outputs der beiden Topteile. Somit genügen zwei kleine Lastwiderstände, um die gerade nicht verwendete Endstufe zu sichern. Aus Sicherheitsgründen empfiehlt der Hersteller außerdem, bei Röhrengeräten dringend darauf zu achten, dass die Impedanz beider Topteile und der Box exakt übereinstimmen. Nun ist Palmers .Two ln One“-System durchaus nicht das einzige auf dem Markt. Allerdings ist es so flexibel, dass es sich gleichermaßen mit zwei Röhren-, zwei Transistorverstärkern oder auch mit einem Mix aus beiden Technologien verwenden lässt. Das geht bei vergleichbaren Konkurrenzprodukten so nicht. Da muss man sich vorher für eine Kombination entscheiden. Wer zwei Boxen besitzt, aber diese nur manchmal einsetzt kann das Gerät dann bei Bedarf auch als normale“ A/B-Box verwenden.

So kann man etwa bei größeren Bühnen beide Anlagen auffahren, während man sich im Proberaum und kleineren Gigs eben mit nur einer Lautsprecherbox begnügt. Doch nicht nur seine Flexibilität spricht für das Switching System, sondern auch seine unauffällige Arbeitsweise. Trotz der .weichen“ Umschaltung funktioniert der Wechsel so schnell, dass keine Aussetzer wahrnehmbar werden – Nebengeräusche ebenso wenig.

Man hört das Ptino-System im Grunde überhaupt nicht, es sei denn man schraubt willentlich an den Gain-Potis an der Switchbox, die eine moderate Absenkung oder lineare Verstärkung des Eingangssignals (max + 9dB) ermöglichen. Etwas irritierend finde ich nur den Umstand, dass man Unity-Gain nicht auf halbem Weg, sondern erst kurz dahinter bei circa 1-Uhr-Position der Potis erreicht Mit einer Mittelrastung oder zumindest auf der 12-Uhr-Position wäre die 1 :1-Stellung leichter zu finden. So muss man doch ein bisschen mehr Feingefühl und Konzentration investieren. Andererseits werden viele Gitarristen sich über die zusätzlichen Pegelreserven freuen und die Potis ohnehin weiter aufdrehen. Leider gibt es erneut keinen Havariemodus bei Stromausfall. Zwar erhalten die Amps dann auch kein Signal mehr, so dass den Endstufen nichts passieren kann. Aber die Signalkette ist in eben komplett unterbrochen – und alle schauen den Gitarristen böse an … aber hat man das System mit kühlem Kopf, vollständig verkabelt (sprich Control-Kabel, langes lnstrumentenkabel, 2 kurze lnstrumentenkabel, 3 Speaker-Kabel) und die Gain-Potis justiert, funktioniert es sehr gut und macht nur noch Freude. Und auch der FOH-Mixer ist froh, dass er für die eine Gitarrenbox nur ein Mikrofon und einen Kanal am Pult opfern muss.



Statt sich mit nur einer Lautsprecherbox zu begnügen, geht Palmer mit dem nächsten Tool in die Vollen. Denn mit dem PCABSW4X Cabinet Switcher lässt sich ein Verstärker wahlweise an bis zu vier verschiedenen Boxen betreiben. Zugegeben, das braucht nicht jeder, und das Gerät ist daher wohl eher für Spezialisten oder Musikläden, die ihr Sortiment bestmöglich präsentieren wollen, interessant. Aber wer seinen Sound gerne mal über unterschiedliche Lautsprechertypen hören möchte, wird sich mit Sicherheit darüber freuen. Sei es, dass man etwa im Studio ganz schnell und ohne viel Aufwand zwischen völlig verschiedenen Boxen-Setups hin- und herschalten kann oder eben damit auch auf der Bühne ganz praktisch beispielsweise eine geschlossene 2-x-12″er für die Heavy-Rock- und eine offene 4-x-10″er für Clean- und Crunchsounds verwenden kann. Das ist einen Selbstversuch wert, denn so mancher wird geradezu geschockt sein, wie sehr sich die Klangempfindung durch einen anderen Lautsprecher- oder Boxentyp verändert. Probiert es aus!

Wiederum besteht das System aus zwei Geräten, dem 412 Cab Switch und der Switchbox 4, die ebenfalls wieder durch das schon bekannte 5-Poi-XLR-Kabel verbunden sind. Hier muss man sich nun schon genauer überlegen, wo man die Switchbox am besten deponiert, um unnötig lange Kabelwege zu vermeiden. Außerdem sollte man immer gut auf das Spezialkabel achten. Denn es dürfte im Ernstfall kaum möglich sein, auf die Schnelle Ersatz dafür aufzutreiben. Die Stromversorgung mittels 15V-DC-Netzteil (welches dieses Mal netterweise mitgeliefert wird} wird am Fußschalter angeschlossen, das Gitarrenkabel ebenso. Nun wird noch ein weiteres Instrumentenkabel zum Amp-lnput verlegt. Der Speaker Output geht anschließend in die Switchbox, die das Verstärkersignal nun auf einen der vier Speaker Outputs verteilt, je nachdem welcher Ausgang vom Fußschalter angewählt wird. So weit. so gut, allerdings ist das Ganze nicht völlig unfallsicher. Wer das System mit einem Röhrenverstärker nutzen will, muss entweder wirklich an alle vier Speaker Outputs der Switchbox ein Cabinet anschließen oder aber strikt darauf achten, nicht womöglich doch einen der unbelegten Ausgänge anzuwählen. Sonst läuft die Röhrenendstufe nämlich doch leer, mit unter Umständen verheerenden Folgen für deren Ausgangstrafo usw.

Der Hersteller selbst empfiehlt in der Bedienungsanleitung für dauerhaft nicht belegte Boxenausgänge, diese entweder mittels lastwiderstand abzusichern oder gleich die überflüssigen Schalter auszubauen. Das ist zwar nicht die eleganteste Lösung, aber zumindest die sicherste. Daneben steht wieder der Hinweis auf die Übereinstimmung der Impedanzen zwischen Amp und Boxen und es wird auf den Ground/Lift-Schalter neben der Guitar-lnput-Buchse verwiesen, der bei ungewöhnlichen Störgeräuschen Abhilfe schaffen soll. leider muss ich nochmals darüber mäkeln, dass auch bei diesen beiden Geräten bei Unterbrechung der Stromversorgung nichts mehr geht. Davon abgesehen arbeitet das System geschmeidig, ohne Knackser und andere Nebengeräusche und völlig klangneutral.

Es macht richtig Spaß, den Amp durch den Boxen-Parcour zu jagen und den unterschiedlichen Wiedergabecharakteren zu lauschen. Natürlich ist die Technik die dahinter steckt und das möglich macht. entsprechend aufwändig. Insofern erklärt sich auch der solide Preis für das System. Sound-Fetischisten und StudioTüftler werden sich davon jedenfalls kaum abschrecken lassen.

Die erweiterten klanglichen Möglichkeiten sind einfach zu verlockend – was auch als passendes Abschlusswort für alle drei der hier getesteten Palmer-Tools gelten darf.

Alle Informationen zu den Produkten finden Sie hier:

P3EASY: http://www.palmer-germany.com/mi/de/3EASY-Easy-Amp-Selector-P3EASY.htm

PCABSW4X: http://www.palmer-germany.com/mi/de/PCABSW-4-X-Umschalter-fur-Gitarrenlautsprecher-PCABSW4X.htm

PTINO: http://www.palmer-germany.com/mi/de/TINO-Umschaltsystem-2-Gitarrenverstarker-auf-1-Box-PTINO.htm

 

Quelle: Soundcheck Magazin, Deutschland, November 2011

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